Im sitze im Büro, es geht auf das Jahresende zu. Die Pläne für das nächste Jahr sind im Arbeit oder im Kopf und der Blick schweift zurück ins vergangene Jahr. Bei unserer letzten Teamklausur im September haben wir gut zwei Dutzend tolle Maßnahmen, Projekte, Aktivitäten identifiziert, welche wir -zusätzlich zum Tagesgeschäft – auf den Weg brachten. Und dann gab es noch eine Liste mit offenen Posten.
Wir haben
- über neue Projekte nachgedacht – teilweise sehr lange –
und - Konzepte verfasst und nicht umgesetzt
Auf den ersten Blick sind das zwei Punkte, welche nicht unbedingt nach Erfolg klingen. Wenn ich es mir aber genauer ansehe, bin ich darauf sogar stolz. Denn Erfolg bemisst sich nicht nur danach, was wir leisten, sondern auch danach, was wir lassen.
Erfolg ist auch das, was wir lassen
Ja, das klingt etwas exotisch, gebe ich gerne zu. Meistens werden wir daran gemessen, was wir neu auf den Weg brachten. Aber ich denke, dass es auch sehr wertvoll ist, einmal etwas nicht umzusetzen.
Ein vielzitiertes Mantra lautet: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Herausforderungen. Auch wenn es viel zitiert wird, dieses Mantra ist Quatsch.
Klar, ich muss nicht vor jeder Schwierigkeit oder jedem Hindernis gleich umdrehen. Es gehört zum persönlichen Wachstum dazu, sich Problemen zu stellen und eine Lösung zu finden. Aber in seiner Absolutheit ist der Satz problematisch. Denn er impliziert eine Art von Allmachtsphantasie der Machbarkeit. Und irgendwann geht es nur noch ums Machen, ums möglich effiziente Umsetzen von Maßnahmen – Hauptsache, das Problem ist überwunden.
Was dabei in den Hintergrund gerät, ist die Frage, ob die Überwindung des Problems wirklich zum Ziel führt und ob es nicht einen – viel einfacheren – kleinen Umweg gäbe. Oder die Frage, ob das Ziel nicht verändert werden könnte und auf einem ganz anderen Weg erreicht werden kann.
Wir haben einiges im letzten Jahr angefangen, angedacht und geplant, was wir letztendlich nicht zu Ende brachten. Und das hat uns viel gebracht:
- Wir haben Zeit und Geld gespart, welches uns das Projekt (mehr) gekostet hätte, als es anfangs schien.
- Manches passt in eine andere Organisation wunderbar rein – aber (leider) nicht bei uns.
- Dieses Jahr reicht der Vorlauf nicht – aber im nächsten Jahr können wir so richtig durchstarten.
- Es gibt Aspekte, welche uns erstmals nicht bewusst waren, die aber beim gründlichen Durchdenken klar wurden – und uns von der Realisierung abhalten, zum Beispiel, weil dann unser Fundraising-Mix ins Trudeln kommt.
Unser Erfahrungsgewinn: Wir lernen auch aus dem, was wir nicht machen.
Effektiv oder effizient?
Im Zeit- und Selbstmanagement wird gerne die Polarität von Effizienz und Effektivität besprochen. Effizient sind wir, wenn wir die Aufgaben bestmöglich erledigen. Effektiv arbeiten wir, wenn wir an den richtigen Aufgaben arbeiten.
Und so war es für uns sehr effektiv, einige „Baustellen“ gründlich zu durchdenken, zu planen – aber dann, völlig ineffizient, nicht umzusetzen.
Und so komme ich zu meinem kleinen Fazit:
Es ist oberflächlich betrachtet völlig ineffizient, gründlich durchdachte und geplante „Baustellen“ nicht umzusetzen. Aber der Effekt kann für meine Arbeit sehr effektiv sein.
Das betrifft natürlich nicht nur das Feld beruflicher Arbeit. Auch im Privaten unterliegen wir ja gerne dem „schneller – höher – weiter“, dem permanenten Vergleich mit anderen, mit den Freunden und Nachbarn, den Geschwistern und Verwandten, den realen und den Kontakten via sozialer Kanäle. Egal wohin wir blicken, wir werden immer jemanden ins Blickfeld bekommen, der etwas besser, schöner oder überhaupt kann. Und schon sind wir in Versuchung mitzuhalten. Was könnten wir nicht alles machen! Youtube-Blogger-Karrieren starten, den Haushalt minimalisieren, die Kinder perfektionieren, die schönsten Geburtstagstorten kreieren und besitzen stapelweise noch zu lesende interessante und empfohlene Bücher. Und gerne probieren wir mal was aus. Wir entrümpeln etwas den Haushalt, bleiben aber weit hinter den Idealerwartungen zurück. Wir beginnen ein Blog, schaffen die Iron-Blogger-Artikelfrequenz aber nicht. Und, und, und …
Ja, auch im Privaten müssen wir die Kunst der Beschränkung lernen. Und es ist nicht tragisch, etwas auszuprobieren und dann nicht zur Perfektion zu treiben. Denn egal was wir beginnen, es knapst uns Zeit von den 24 Stunden des Tages ab. So gesehen sollten wir fast froh sein, für jeden Versuch, der nicht zum Erfolg führte. Er schafft uns wieder etwas Luft – auch um vielleicht mal für ein Jahr etwa Neues auszuprobieren. Und das ist im Sinne der begrenzten Lebensspanne vielleicht viel effizienter, als das effektivste Durchhalten einer einmal begonnenen Tätigkeit oder Routine, nur um ihr nicht untreu zu werden.
Wie immer: gutes Denken!
DA kommt noch was nach, ich ahne es …