Als literarische Hauptwerk von H.D. Thoreau muss sein umfangreiches Tagebuch angesehen werden. Bis heute ist es nur in Ausschnitten übersetzt. Mit 20 Jahren begann Thoreau zu schreiben und in den folgenden 25 Jahren brachte er es auf 47 Textbände. Wie so häufig bei Autoren, war das Tagebuch nie für eine 1:1-Veröffentlichung gedacht, sondern diente als Ideenspeicher, als Steinbruch für seine Bücher und Publikationen.
Thematisch finden sich Naturbeschreibungen, philosophische Gedanken und oft auch relativ banal erscheinende Beobachtungen seiner Umgebung.
Den ungewöhnlichen Textumfang sieht man auch in der photomechanischen Druckwiedergabe in den beiden Bänden:
„Was treiben Sie denn jetzt?“ fragte er. „Führen Sie ein Tagebuch?“ Und so mache ich heute meinen ersten Eintrag.
Zum Alleinsein erachte ich es als nötig, der Gegenwart zu entrinnen – ich meide mich selbst. Wie könnte ich im Spiegelkabinett des römischen Kaisers allein sein? Ich suche eine Dachkammer auf. Die Spinnen dürfen nicht gestört, der Boden nicht gefegt und das Gerümpel nicht in Ordnung gebracht werden.
Die Deutschen sagen: „Es ist alles wahr, wodurch du besser wirst.“
(H.D. Thoreau, 22.10.1837)
In Deutschland gibt es bisher keine vollständige Übersetzung der Tagebücher. Allerdings gibt es zwei Bänder, in welchen die Vielfalt der Eintragungen sichtbar wird. Und an diesen beiden Übersetzungen fällt eines stark auf: Der außergewöhnlich umfangreiche Wortschatz des klassisch gebildeten Thoreaus macht es Übersetzern ausgesprochen schwer. Die Übersetzung alleine dieser ersten Absätze unterscheiden sich bei Susanne Schaup und Rainer Schmidt deutlich.
Susanne Schaup versammelt eine – naturgemäß subjektive – Auswahl prägnanter Einträge in Ihrer Übersetzung:
2016 erschien der erste Band einer auf 12 Bänden angelegten Reihe, mit den wesentlichen Auszügen aus Thoreaus Tagebüchern. Es soll in etwa die Hälfte des verfügbaren Materials übersetzt und veröffentlicht werden. Eine große Aufgabe, bei welcher dem Übersetzer Rainer G. Schmidt und dem Verlag Matthes und Seitz viel Durchhaltevermögen und die nötigen Käufer zu wünschen sind. 2019 erschien mittlerweile Band IV:
Literaturhinweise:
(1) Henry David Thoreau, Tagebuch I, übersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes & Seitz Berlin. (Textauswahl aus den Jahren Oktober 1837 bis Juni 1842; Band 1 der auf 12 Bände angelegten deutschen Ausgabe)
(2) Henry David Thoreau, Aus den Tagebüchern 1837-1861, Herausgegeben und übersetzt von Susanne Schaup, 1996, Tewes Verlagsbuchhandlung Oelde
(3) The Journal of Henry D. Thoreau, In Fourteen Volumes Bound As Two. Edited by Brdford Torrey and Francis H. Allen. With a Foreword By Walter Harding, 1962 by Dover Publications, Inc. New York
a) Volumes I-VII (1837-October, 1855)
b) Volumes VIII-XIV (November, 1855-1861)