14 Tage Pedelec – erstes Fazit

Seit zwei Wochen habe ich nun mein neues Fahrrad. Ein Pedelec ist es geworden. Und es war keine schnelle Entscheidung, über ein halbes Jahr habe ich den Gedanken schon im Kopf kreisen lassen. Ich hatte lange darauf spekuliert, dass mein Arbeitgeber im Rahmen der Gehaltsumwandlung ein Leasing-Modell anbieten würde, aber das ging dann tarifvertraglich nicht (durch die Entgeltumwandlung sinken die Sozialversicherungsbeiträge für die Kassen und damit auch etwas der Anspruch der Arbeitnehmer, daher die Ablehnung durch Gewerkschaft und Tarifvertrag). Als das klar war, „musste“ ich mich, ohne diesen preislichen Bonus vor Augen zu haben, entscheiden.

Der Kauf

Meine Bedenken im Vorfeld waren die gleichen, die viele vor einem möglichen Pedelec-Kauf haben:

  • Ist Pedelec-Fahren denn noch „richtiges“ Radfahren?
  • Strengt man sich denn dann überhaupt nicht mehr an?
  • Nutze ich mein altes (und recht gutes) Rad dann noch?
  • Wie lange reicht wohl der Akku?

Das ganze Thema Pedelec-Kauf fing sehr positiv an. Mir wurden nämlich viele Entscheidungen abgenommen. Im Fachgeschäft meiner Wahl (Stromrad Stuttgart) gab es für meine Körpergröße nur sehr wenig Auswahl bei dem von mir präferierten Herren-Diamantrahmen und die Lieferzeiten jetzt in der Saison sind schnell mal bei 4-6 Wochen. Nichts für mich ungeduldigen Menschen! Nach meiner preislichen Schmerzgrenze gefragt, kamen wir schnell auf das Rad, welches es dann letztendlich wurde: Das KTM Macina Cross 9 CX4I 2017 – Cross-Pedelec.

Die kurze Probefahrt entlang meiner Heimweg-Route, den Stuttgarter Kessel hoch, ließ sämtliche Bedenken verschwinden. Wo ich sonst mit 9-11 km/h hochkeuchte, sauste ich mit leichter Anstrengung und 22-26 km/h rauf. Entscheidung getroffen. Gekauft!

Allerdings wollte ich noch zwei „Extras“ haben, eine vollständige Straßenausstattung (Schutzbleche, gute Lichtanlage, Gepäckträger) und anstelle des 400 Ah-Akku einen 500 Ah-Akku. Inclusive der damit fälligen 400 Euro Aufpreis landete ich bei 2.699,- Euro (plus nachher noch einem Schloss, anderen Lenkergriffen und Lenkertasche). Damit blieb die Kaufempfehlung der kompetenten Mitarbeiterin sogar noch deutlich unter meiner vorher geäußerten Schmerzgrenze. Das habe ich so auch noch nicht erlebt. Danke!

Die kleinen Umbauten waren in zwei Tagen erledigt und am Freitag, 12.5. kam der Anruf, dass ich das Rad abholen könne. Von der Arbeit hin und gleich den Berg im Nieselregen rauf. Aber wen stört schon das Wetter …

Erfahrung im Alltag

Mein Arbeitsweg führt, grob skizziert, von Ostfildern (Scharnhauser Park) hoch zum Fernsehturm und dann hinunter in den Talkessel ins Zentrum von Stuttgart, Stadtmitte. Ca. 13,9 Kilometer einfacher Weg, 123 Meter Steigung am Hinweg und 260 Meter Steigung am Rückweg – mit dem Tacho gemessen.

Der Rückweg in Zahlen.

Diesen Weg habe ich seit nun bald 12 Jahren und ich bin ihn immer wieder, mal häufiger, mal seltener, mit dem Fahrrad gefahren. Der Hinweg war immer angenehm, vielleicht morgendlich frisch. Am Heimweg war aber sehr oft Überwindung angesagt, wenn es nach einem intensiven Bürotag hieß, Radklamotten anziehen und hoch den Kessel. Da blieb das Rad oft bis zum nächsten Tag in der Bürotiefgarage oder es ging alternativ mit der Zahnradbahn hoch (die Stadtbahn ist ja von 16-18:30 Uhr für Radmitnahme gesperrt). Letzteres immer seltener, da seit der Eröffnung der Downhill-Strecke in Degerloch die 10 Plätze der viertelstündlich fahrenden Zahnradbahn schnell belegt sind und ich öfter in der Schlange stand.

Platz für 10 Räder: Der Vorstellwagen der "Zacke"
Die Zahnradbahn mit ihrem Vorstellwagen für Räder. So leer ist sie nur im Winter oder bei schlechtem Wetter.

Nach gut zwei Wochen Radfahren mit dem Pedelec zur Arbeit stelle ich fest:

  • Die nachmittäglich/abendliche Entscheidung im Büro pro/contra Radfahren ist völlig verschwunden. Es war an keinem Tag Thema, ob ich fahren mag oder nicht. Und das lag sicher nicht nur am Reiz des Neuen. Auch zwei eher feuchte Tage änderten nichts daran; Regenkleidung habe ich eh immer in der Satteltasche dabei.
  • Es ist angenehm, mich nicht in Radklamotten packen zu müssen, um ins Büro zu radeln. O.K., die Hose wird im Büro gewechselt, da die Knie schon ausbeulen. Aber ansonsten kann ich in Alltagskleidung radeln, so wie ich es über 20 Jahre in der flachen Münchener Schotterebene zur Schule, Uni und als Radlkurier konnte.
  • Bewegung habe ich trotzdem genug. Der Pedelec-Motor regelt bei ca. 25 km/h die Unterstützung ab. Das heißt aber nicht, dass ich nicht schneller treten kann. Die Schaltung lässt mich locker gut 40-45 km/h erreichen, wenn die Kraft reicht. Es fühlt sich im Bereich von 25-28 km/h an, als ob der Motor etwas bremsen würde. Aber ich vermute, dass dies ein eher „psychologisches“ Gefühl ist, da die Tretunterstützung spontan wegfällt und ich allein Kraft erzeugen muss. Mit dem Zusatzgewicht von ca. 7-8 km für Motor und Akku ist das Rad ja etwas beladener als das Standard-Rad.
    Wenn ich die Werte meiner Pulsuhr ansehe, habe ich am Hinweg einen ähnlichen Kalorienverbrauch wie mit dem normalen Rad, bin aber schneller unterwegs. Am Rückweg ist die Pulsfrequenz bergauf weit niedriger, das mache ich in der Ebene etwas wett, wo die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit des Pedelec dazu führt, dass ich auch in der Ebene ohne Motor flotter fahre.
  • Ich spare deutlich Zeit im Vergleich zum Radeln mit dem bisherigen Trekking-Rad (Rohloff-Nabe etc.): am Hinweg ca. 10 Minuten, am Rückweg ca. 20 Minuten, bin etwa 38-44 Minuten je Strecke unterwegs. Damit komme ich in einen Bereich, wo ich mit der parallel fahrenden Stadtbahnlinie (plus Fußweg) mithalten kann und die effektive Reisezeit sehr konkurrenzfähig ist. Durch die Motor-Unterstützung ist der Heimweg nun viel besser planbar und nicht so tagesformabhängig; hilfreich bei fixen Terminen wie Kinderabholung etc.
  • Auch an Tagen, wo ich Mittags ins Kieser-Training (gesundheitsorientiertes Krafttraining) gehe, kann ich problemlos heimradeln (auch wenn ich die Beine etwas spüre). Mit dem normalen Rad machte das keinen Spaß…

Stromverbrauch

Der Akku hat 500 Wh Kapazität. Damit schaffe ich etwa zwei Hin- und Rückfahrten, also 56 km und 760 hm bei einem doch ordentlichen Systemgewicht aus Rad, Radler und Gepäck von geschätzt 120-125 kg, je nach Beladung (z.B. 6 kg Brot aus der Innenstadt). Danach wird noch einer von fünf Ladungsbalken angezeigt. Ausgereizt habe ich die Kapazität aber noch nicht, lade eher täglich nach. Die vier Unterstützungsstufen des Motors nutze ich dabei unterschiedlich stark. Am Hinweg ist meist Stufe 2 geschaltet („Tour“), am Rückweg bergauf die Stufe 3 („Sport“) und danach 1 („Eco“) oder 2.

Damit komme ich umgerechnet auf groß 200 Wh pro Tag, was in etwa einem Stromverbrauch entspricht, wenn man mit dem Wasserkocher 2 Liter Wasser erhitzt. Bei 30ct/kWh sind es 6 Cent pro Tag, 30 Cent pro Woche.

Fazit

Nach den ersten zwei Wochen mit dem Pedelec bin ich unterm Strich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Es ist für mich aktuell kein Sport- oder Freizeitfahrrad, sondern ein (nein: das!) Verkehrsmittel für den Arbeitsweg. Es ermöglicht mir am Tag 1 1/2 Stunden lockere Bewegung an der frischen Luft, über Felder und durch den Wald. Es erspart mir den müden Sekundenschlaf in der Stadtbahn am Heimweg und die erkältungschnuffelnden Mitfahrenden.

Die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit macht Lust, das Rad in der Ebene auf deutlich über 25 km/h zu beschleunigen – und auf den Motor zu verzichten.

Da wir als Familie bisher schon auf das Auto verzichtet haben und seit über 10 Jahren bei Stadtmobil Stuttgart Kunde sind, kann ich nicht mit großer CO2-Einsparung aufwarten. Aber fitter fühle ich mich.

Hilfreiche Webseiten zur Information vor dem Pedelec-Kauf

ADFC Pedelec-Seiten

VCD Verkehrsclub Deutschland – E-Radkaufberatung

 

–> Und hier geht es zur Fortsetzung, nach 5 Monaten und 2.300 Kilometern.

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