Erzähle ich, dass ich für meinen Arbeitsweg per Rad ca. 51 bis 65 Minuten je Strecke benötige, ernte ich meist Mitleid. Je nachdem, ob ich hin und zurück fahre, oder nur einen der beiden Wege pedalierend zurücklege, verbringe ich doch bis zu zwei Stunden werktäglich im Sattel. Bei 17-18 wachen Stunden täglich also ein erhebliches Quantum Zeit.
Aber wie sähe meine Rechnung sonst aus? Beginne ich mal mit dem normalen Arbeitsweg. Dieser beträgt, von Tür zu Tür gerechnet, zwischen 38 und 48 Minuten, wovon ca. 13 Minuten Fußweg und 23 Minuten Stadtbahn-Fahrt anfallen. Der Hinweg ist mit 38 Minuten fix, beim Rückweg muss ich etwas Wartezeit an der Stadtbahn-Haltestelle einplanen, da ich selten auf die Minute genau das Büro verlasse und auf gut Glück zur Haltestelle gehe. Rechnerisch komme ich damit auf ein Plus von 13 und 17 Minuten täglich durch das Fahrradfahren. Und ich sollte noch die Umkleide- und Taschenpackzeiten einplanen, unterm Strich vielleicht 10 Minuten am Tag. Die Dusche lasse ich jetzt mal unberücksichtigt, denn waschen tue ich mich auch, wenn ich nicht Rad fahre. Damit käme ich bei einem vollen Radfahr-Tag, also hin und zurück, auf einen Mehrbedarf von 40 Minuten täglich. 86 Bahn- und Fußminuten stehen 126 Radminuten gegenüber. 1:26 Stunden zu 2:06 Stunden. Radfahren kostet Zeit! Im schlimmsten Fall, also bei konstant schönem Wetter, keinen externen Terminen und daher fünfmaligem Hin- und Herradeln ein Plus von 200 Minuten pro Woche, 3 Stunden und 20 Minuten.
Nun könnte ich lapidar sagen, dass es mir das einfach wert wäre. Doch im Zeitalter der Selbstoptimierung und des Zeitplanungs-Fetischismus überzeugt diese Antwort nicht alleine. Nein, da muss noch ein gehöriger Schuss Rationalität dazu.
In meinem Fall sieht die rationale Zugabe so aus, dass ich mir durch das tägliche Büro-Radfahrpensum das Joggen (er)spare. Zwei- bis dreimal wöchentlich zog es mich, ausreichende Motivation und akzeptable Witterungsbedingungen vorausgesetzt, in die nahegelegene Landschaft, um hechelnderweise Kalorien zu verbrennen und Fitness zu erzeugen. Mindestens 40 Minuten, meist aber eher 60 Minuten war ich derart unterwegs. Das macht immerhin, Kontinuität vorausgesetzt und großzügig gerechnet, 180 Minuten pro Woche. Plus Umziehen! Plus Herumgeeiere, um mich endlich zum Joggen aufzuraffen. Also eher 210 Minuten wöchentlich, das Hin und Her, Laufen oder Nichtlaufen mal nicht mitgerechnet. Umgerechnet also 3 Stunden und 30 Minuten.
Und jetzt jubelt auch das Selbstoptimierer-Herz: Einem Mehraufwand von 3:20 Stunden durch tägliches Fahrradfahren steht eine Zeitersparnis von 3:30 Stunden durch ersparte Jogging-Einheiten gegenüber. 10 ganze Minuten! Mit anderen Worten: Ich kann täglich zwei Minuten langsamer radeln, was mir eh liegt, und kommt auf Plus/Minus Null raus. Hurra!
Nebenbei bemerkt hat das tägliche Radfahren gegenüber meinen unstrukturierten und meist spontanen Joggingansätzen noch zwei riesige Vorteile. Erstens findet das Radfahren regelmäßig statt. Das heißt, ich muss mir nicht überlegen, ob und wann ich fahre. Denn das ergibt sich von ganz alleine durch meine Arbeitszeiten. Ganz anders da das Joggen. Wann raffe ich mich auf? Bin ich nicht zu müde? Ist es zu spät? Der Bauch ist vom Essen zu voll? Ich habe erst noch Hunger. Nur noch den Kleinen ins Bett bringen und dann selber halb eingeschlafen für alles Weitere unfähig sein. Nein, da lobe ich mir doch das simple morgendliche Losradeln ins Büro, die Radkleidung bereits am Vorabend bereitgelegt. Der zweite Vorteil ist, dass mir Rad fahren einfach viel, viel, viel mehr Spaß macht als das Trampeln auf Mutter Asphalt und Erde.
Und beim Nachdenken fällt mir auch noch ein dritter großer Vorteil ein: Das Radfahren liegt direkt an einer anderen Aktivität dran, dem Arbeiten. Joggen ging ich meist am Abend oder am Wochenende, musste mir also also echte Freizeit abknapsen. Beim Radeln fällt eher die eine oder andere Überstunde unter den Tisch. Fein!
Nun könnten geneigte Lesende anmerken, dass ich die Zeit in der Stadtbahn produktiv oder lesend nutzen könnte. Das ist theoretisch richtig. In der Praxis ist die Hinfahrt aber mit dem Lesen von Twitter, SPON und Facebook gefüllt, die Rückfahrt durch das – oft vergebliche – Bemühen, wach zu bleiben geprägt.
Also: Unterm Strich spart mir das Fahrradfahren wöchentlich 10 Minuten. Und die genieße ich entspannend vor roten Ampeln und lasse all die eiligen Radler vorbeirauschen.
Und nicht zu vergessen das Gefühl, wenn man morgends radelt fängt doch der Tag viel besser an.
Und nach getaner Arbeit die müden steifen Knochen nochmal durchrütteln und die Gedanken an die Arbeit hinter sich lassend davon radelnd 🙂