Friedrich Kellner: Tagebücher 1939 – 1945

„Der Laubacher Justizinspektor Friedrich Kellner wollte für die Nachwelt ein Zeugnis ablegen von der gedankenlosen Unterwürfigkeit seiner Zeitgenossen und den hohlen nationalsozialistischen Propagandaphrasen. Von 1939 bis 1945 schrieb er beinahe täglich seine Kritik am NS-Regime nieder und dokumentierte die vielen kleinen und großen Verbrechen der NS-Diktatur. Diese Tagebücher zeigen, dass jeder in der Lage gewesen wäre, die nationalsozialistische Rhetorik zu entlarven und von den Untaten des „Dritten Reiches“ zu wissen.
Kellners akribische Analyse der Tagespresse, die zusammen mit zahlreichen eingeklebten Zeitungsausschnitten einen Großteil der Tagebücher einnimmt, macht diesen Text zu einer einzigartigen Quelle, die eine neue Sicht auf den Alltag im „Dritten Reich“ ermöglicht. Darin unterzieht er die gleichgeschalteten Meldungen einer schonungslosen Kritik und verdeutlicht, wie offensichtlich die Lügen der NS-Presse waren.“ (Klappentext)

Typische Innenseite der beiden Bände. (anklicken zum vergrößern)

Soweit der Klappentext, der den Inhalt der zweibändigen Ausgabe zusammenfasst. Nun, Kellner ist kein wissenschaftlicher Intellektueller und seine Einschätzungen und politischen Wertungen anderer Nationen können und müssen nicht immer mit Sympathie getragen werden. Es ist ja auch kein Geschichtsbuch. Aber diese Mischung aus ausgeschnittenen und ins Tagebuch eingeklebten Zeitungsartikeln, welche in den Büchern sehr originalgetreu reproduziert werden, und seiner Einschätzung dazu machen die Tagebücher für mich zu einer faszinierenden Lektüre. Wenn Kellner vergleicht, wie unterschiedlich die NS-Medien über den Bombenterror auf London und den auf deutsche Städte schreiben, kann man nur mit dem Kopf nicken. Er hat kein Geheimwissen, seine Quellen sind allesamt öffentlich: Briefe und Berichte von Frontsoldaten über Gräueltaten der Wehrmacht im Osten, Zeitungsartikel etc. Und seine Beschreibung der ersten Nach-Kapitulationstage, wie die ersten sich darauf beriefen, nur verwaltend tätig gewesen zu sein, liest sich doch anders, als wenn dies von Historikern Jahrzehnte später benannt wird. Kellner kam selber nur knapp um eine Inhaftierung herum und so ist es ein großes Glück, dass diese Aufzeichnungen gefunden und veröffentlicht wurden.

Friedrich Kellner: „Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne“ – Tagebücher 1939 – 1945; Zwei Bände im Schuber; Wallstein Verlag Göttingen, 2011 (6. Auflage 2017)

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