Seit Mitte Mai fahre ich nun mit dem Pedelec. Meistens geht es damit zur Arbeit, in der Freizeit bin ich recht wenig per Rad unterwegs. Arbeitsweg, das heißt pro Tag ca. 28 Kilometer und 390 Höhenmeter insgesamt. Nach den ersten 14 Tagen hatte ich bereits ein erstes Fazit gezogen. Und erfreulicherweise haben sich die sehr positiven Eindrücke nach nunmehr fast fünf Monaten und fast 2.500 Kilometern Fahrstrecke bestätigt.
Arbeitsweg
Meinen Arbeitsweg von der Filder-Hochebene in den Stuttgarter Talkessel lege ich seither fast nur noch per Pedelec zurück. Ausnahmen sind, wenn ich mein Cello zum Unterricht mitnehmen muss oder eine Dienstreise ansteht. Ansonsten hieß es, ob bei Regen oder 30 Grad, es wird Fahrrad gefahren. Und was soll ich sagen: Der früher gerade abends laut jaulende Schweinehund, der keine Lust hatte, aus dem Kessel hochzustrampeln, ist völlig verstummt und freut sich auf die frische Luft und den Auslauf nach einem meist sitzend verbrachten Bürotag.
Aber auch kleine Dienstfahrten legte ich mit dem Pedelec zurück. Was früher aufgrund der sehr hügeligen Topographie Stuttgarts ausschied, ist nun Dank der Motorunterstützung kein Thema mehr. Sogar 14%-Steigungen sorgen nicht mehr für Schweißbäche. So macht Fahrrad-Fahren deutlich mehr Freude. Auch in Verbindung mit der Bahn hatte ich das Rad dienstlich schon dabei. Ich nahm das Pedelec in den IRE ins schwäbische Oberland mit und sparte mir den halbtägig fahrenden Bus, radelte die 16 Hügel-Kilometer zum Tagungshaus in lockeren 40 Minuten.
Planbarkeit der Wege – Durchschnittsgeschwindigkeit konstant
Was ich am Pedelec ausgesprochen schätze, ist die sehr zuverlässige Planbarkeit der Wege. Damit meine ich, dass ich die Fahrtdauer, welche ich für eine zum Beispiel per Routenplaner (Komoot) geplante Strecke, sehr genau abschätzen kann. Ich fuhr seither deutlich häufiger Strecken, für die ich früher Bus, U-, oder S-Bahn genutzt hätte, da zwar die absolute Entfernung mit vielleicht 10-12 Kilometern nicht sehr weit war, aber die Höhenmeter und die Steigung schwer zeitlich planbar waren – vom Schwitz-Faktor ganz zu schweigen. Gerade in sehr hügeligen Gegenden ist das nicht zu unterschätzen. Dank des Motors kann ich eine bequeme Durchschnittsgeschwindigkeit von zum Beispiel 21 km/h ansetzen und halten. Das ist für mich wichtig, wenn ich feste Termine einhalten muss.
Motor-Nutzung
Der Bosch-Motor besitzt vier Unterstützungs-Modi. Zu Beginn fuhr ich meist im zweiten oder dritten Modus, je nachdem, ob ich in der Ebene oder am Hang fuhr. Heute wechsel ich die Modi deutlich häufiger, so wie ich schon immer ein Viel-Schalter an der Gangschaltung war. In der Ebene reicht der Eco-Modus meist locker aus, auf Tour gehe ich nur, wenn Gegenwind herrscht oder ich gezielt flott fahren mag. Manchmal ist mir aber die Unterstützung einfach zu stark, ich fahre auch gerne einfach ruhig und gemütlich herum und sehe mir die Landschaft an, genieße das Licht der beginnenden Dämmerung.
Bergauf heißt es dann in Stufe 3 zu wechseln, da bin ich gerne schneller unterwegs und finde es gerade auf den Straßenstücken sehr angenehm, wenn ich im Verkehr mehr mitfließen kann und Kraftreserve habe. Die höchste Stufe 4 brauche ich nur sehr selten, wenn es einmal die steilsten Strecken Stuttgarts, parallel zur Zahnradbahn, hochgeht.
Bei der Wartung im Fachgeschäft erhält man übrigens eine ausgedruckte Motor-Diagnose, welche akkurat die Zahl vollständiger Ladezyklen enthält, sowie die Zeit, welche man in welchem Unterstützungs-Modus gefahren ist. Für Zahlenfreaks sicher eine ganz nette Statistik. Schade nur, dass man sich diese nicht zuhause rauslassen kann.
Akku
Der 500er-Akku von Bosch tut seine Arbeit sehr gut. Bisher schaffe ich zwei Tage hin und zurück mit einer Ladung und habe dann noch 1-2 Ladebalken übrig.
Doch Achtung: Zwei Ladebalken bedeutet, dass man maximal (!) 40% Ladung hat. Es könnten auch nur noch 21% und der zweite Balken gleich verschwunden sein. Manchmal sind deshalb die fünf Ladebalken etwas zu grob, da wäre eine feinere Einteilung ganz gut. Dem Akku schadet häufiges Aufladen nicht, mehrere Teilladungen werden rechnerisch zu einer Voll-Ladung addiert und davon schafft er 500 bis 1000 Zyklen – jedoch am Ende bei deutlich geringerer Kapazität. Jetzt im Winter wird er von mir eine Neopren-Hülle zum Schutz vor Kälte erhalten, da die Lithium-Ionen-Akkus kälteempfindlich sind.
Beleuchtung
Eine gute Beleuchtung hatte ich vorher auch schon am Fahrrad. Aber mit den nun vorhandenen 90 Lumen am Vorderscheinwerfer und der schier unerschöpflichen Energiequelle Pedelek-Akku (auch nach Ende der Motorunterstützung reicht der Strom noch für bis zu 2h Licht), ist abendliches Radeln im Berufsverkehr oder im Wald eine sichere und komfortable Sache.
Gepäck/Kleidung
Standardmäßig habe ich immer zwei Ortlieb-Gepäcktaschen hinten am Gepäckträger dran. In der einen Tasche sind die Regenkleidung (immer dabei), Büro-Untensilien und Vesperbrot drin. Die zweite Tasche ist meistens leer und wird dann gefüllt, wenn ich unterwegs einen Einkauf erledige. Oder bei großen Temperaturdifferenzen zwischen Morgen und Nachmittag landet die Jacke in der zweiten Tasche. Das hat sich so ganz gut bewährt und reicht für den Alltag prima aus.
Auf spezielle Fahrrad-Kleidung verzichte ich am Pedelec meistens. Lediglich im Sommer habe ich öfter die kurzen Radklamotten angezogen, wenn es schon im Stand 30 Grad hatte. Wobei der feine Effekt am Pedelec ist, dass der Fahrtwind auch bergauf aufgrund der deutlich höheren Geschwindigkeit etwas Erfrischung bietet. Da macht es einen großen Unterschied, ob ich mit 9 km/h hochkeuche oder mit 20 km/h pedeliere.
Bremsen
Der einzige mir bisher negativ aufgefallene Punkt ist, dass ich einen hohen Verschleiß an Bremsbelägen habe. Bisher war ich immer mit Felgenbremsen unterwegs (Magura Hydraulik-Bremsen). Das Pedelec hat nun Hydraulik-Scheibenbremsen und bereits bei der ersten Inspektion wurden die Vorderrad-Bremsbeläge nach ca. 700 km ausgetauscht, da sie völlig runtergebremst waren. Gut, das ist sicher der hiesigen Topographie geschuldet, aber bei einem Preis von ca. 28 Euro je Bremsbeleg-Satz ist das eine relevante Größe. Die neuen Beläge sind speziell für Pedelecs und halten bisher ca. 1.500 Kilometer, vorne fast wieder durch. Wobei ich merke, dass die Vorderbremse deutlich häufiger und stärker genutzt wird. Die hinteren Beläge halten deutlich länger.
Fazit
Mein Fazit nach 2.300 Kilometern und bald 5 Monaten ist, dass der Kauf des Pedelec einer meiner besten Ideen der letzten Jahre war. Mit einem Preis von insgesamt 2.700 Euro ist es teurer als ein Baumarkt-Modell, aber im Feld der soliden Pedelecs im guten Mittelfeld.
Wer gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, es für tägliche Wege in die Arbeit nutzen möchte, aber aufgrund der Streckenlänge oder Topographie davor zurückschreckte, dem kann ich ein Pedelec bisher nur empfehlen. Mein Mobilitäts-Verhalten hat sich seither wieder sehr zugunsten des Fahrrades verändert.
Und wer Angst davor hat, das Fahren per Pedelec sei zu bequem: Meine 80 Minuten Radeln pro Tag haben ca. 500-600 kcal Verbrauch gebracht, so die Pulsuhr. Und das mal ohne besondere Anstrengung. Rund 10 kg wiege ich weniger als im Mai (nicht nur wegen des Radelns….).